Mittwoch, 19. März 2014

Die letzten Tage in Indien

Wir haben uns tatsächlich einen 10-Tages Vipassana Kurs angetan und diesen auch beide durchgezogen. Es war echt eine krasse Erfahrung und wir haben uns sogar vermisst, denn obwohl wir beide gleichzeitig an dem Kurs teilgenommen haben, konnten wir nicht miteinander kommunizieren und uns kaum sehen.




10 Tage lang sind wir morgens um 4 Uhr aufgestanden, haben 10 Stunden am Tag meditiert und die strenge Schweigepflicht bis nach dem Frühstück des 10. Tages eingehalten. Es ist ganz normal, dass man so einige Höhen und Tiefen mit sich selbst durchmacht. Denn mit der Vipassana-Technik soll eine "Operation" an der Seele durchgeführt werden, welche tiefliegende Verletzungen durch vergangene Erlebnisse zum Vorschein bringt. Vielleicht ein ungewollter Beweis dafür, dass diese Technik funktioniert, lieferte uns eine Kursteilnehmerin, die am letzten Tag völlig durchdrehte. Erst wurde sie im Meditations-Saal laut, dann rannte sie raus und schrie, schlug um sich, bis sie blutige Hände hatte. Dann lachte und tanzte sie euphorisch, um eine Minute später wieder zu gefährlich aggressivem Verhalten zu wechseln. Dieser Zustand der wechselnden Emotionen, in dem sie nicht ansprechbar war, dauerte so lange an, bis sie nach knapp drei Stunden endlich vom eintreffenden Spezialteam durch Valium ruhig gestellt und abgeholt werden konnte.
Aber für uns und die meisten anderen Kursteilnehmer waren diese 10 Tage eine sehr interessante und wertvolle Erfahrung.

Vipassana Center


Gestärkt und gelassen gingen auch wir beide davon und machten uns auf nach Udaipur. Im völlig überfüllten Bus zum Bahnhof von Ajmer ist sogar Nathalie ganz ruhig geblieben. Ob das an der Meditation lag? :-)
Angekommen in Udaipur haben wir zum ersten Mal die edle Seite Indiens entdeckt. Der Palast und die prunkvollen Häuser lassen die goldenen Zeiten vermuten. Die historische Stadt, imitten von Seen und Bergen spiegelte einen Teil von dem wieder, was wir uns unter stolzen indischen Städten vorgestellt und bisher meistens vermisst hatten.

Udaipur






Der Aufbruch zu unserer letzten Station Mumbai wurde uns etwas erschwert. Schon vor 2 Wochen hatten wir unsere Zugtickets für den Nachtzug gebucht und waren damals auf der Warteliste, Platz 26 und 27. Jeder Inder sagte uns: Das passt schon, bis in zwei Wochen seid ihr von der Warteliste in den Zug gerutscht.
Bis eine Minute vor Abfahrt hatten wir noch daran geglaubt, mitfahren zu können. Mit gepackten Rucksäcken standen wir am Gleis und checken mit dem Telefon alle 2 Minuten unseren Buchungs-Status. Warteliste Platz 1 und 2. So blieb es dann bis zum Schluss und der Schaffner konnte für uns keine Ausnahme machen. Weil das Holi-Festival bevorstand, war jeder Platz im Zug ausgebucht, der nun ohne uns davon rollte. Knapp daneben ist eben auch vorbei.
Also zurück in die Stadt, unser Hotelbett war noch warm. Kurzerhand konnten wir einen Übernacht-Bus mit eigener Schlafkabine für den nächsten Tag buchen und fragten uns nach dem Haken daran. Denn der Bus war auch noch günstiger und schneller als der Zug und hatte spontan noch Plätze frei. Der Haken stellte sich bei der Fahrt heraus, als uns die Bodenwellen einen halben Meter über die Matratze beförderten. Der Umstand, dass sich unsere Schlafkabine genau über der Hinterachse befand, erhöhte den Wirkungsgrad des Stoßdämpfer-Katapultes enorm.
Doch der Bus kam am nächsten Morgen mit nur 2 Stunden Verspätung in Mumbai an und wir waren zufrieden. Die ganzen Horrorgeschichten von Pannen, betrunkenen unfallbauenden Busfahrern und tagelangen Verspätungen können wir also zum Glück nicht bestätigen.
In Indiens größter, aber wohl auch teuerster Stadt haben wir uns noch ein paar schöne Tage gemacht. Einen modernen Bollywood-Film namens "Queen" haben wir uns im Kino angesehen, der zufällig auch noch passend zu unserer Reise die Verschiedenheit der europäischen und indischen Kultur thematisierte.
Neben ein paar klassischen Sehenswürdigkeiten wie dem Chhatrapati Shivaji Terminus, dem Gate of India und dem Luxushotel "Taj Mahal Palace" haben wir uns auch Dharavi, den größten Slum Asiens angesehen. In diesem Slum leben 1 Million Menschen unter widrigen Bedingungen und wir haben uns mitten unter dieses arme Volk getraut, nachdem wir einige Einheimische gefragt hatten, ob es gefährlich für uns wäre, dort durch zu gehen. Für uns war es garnicht so schockierend, wie wir befürchtet hatten, denn wir waren von Indien schon vorher einiges gewöhnt.

Mumbai








Und jetzt ist es soweit, der Tag des Rückfluges nach Deutschland ist gekommen. Wir freuen uns sehr auf zu Hause, auch wenn es nur ein kurzer Zwischenstopp wird. Denn Anfang April geht es für ein halbes Jahr nach Italien zum Arbeiten.
Tschüss Indien, Land voller Widersprüche. Es war schön, hässlich, nervig, interessant, ergreifend und aufregend.