Donnerstag, 16. Januar 2020

Resümee Reisen von Nathalie (nach einer Woche zurück in Deutschland)

Beim Reisen haben wir viel mehr mit dem Wetter gelebt, wir wussten wie
kalt oder warm es ist, ob Wind aufkommt, Wolken oder sogar Regen.
Wir wussten in welcher Richtung die Sonne auf- und untergeht. Ob der
Mond zunehmend war, voll oder es bewölk war und der Mond nicht zu sehen.
Die Nächte waren deutlich kälter wenn die Nacht sternenklar war und das
haben wir gemerkt. Unsere Nasen waren kalt wenn wir morgens aufgewacht
sind.
In der Wohnung ist uns oft viel zu warm, da unsere Körper sich an die
kälteren Temperaturen gewöhnt haben und nachts schwitzen wir auch mit
dünnen Decken.


Auf unserer Reise gab es keine To-do-Liste. Die täglichen Arbeiten
waren: Holz sägen, aufräumen, kochen, Ofen anfeuern, Spülen, Bett klein
bzw. groß machen, Samuel mehrmals umziehen da es morgens kalt, mittags
warm und nachmittags wieder kalt war.
Wöchentlich: Einkaufen, Wäsche waschen, evtl. Samuel baden oder duschen,
Wasser auffüllen, kleine Reparaturen am LKW

Zu Hause angekommen gibt es Termine die eingehalten werden müssen. Wir
können nicht mehr nach unseren Bedürfnissen spontan entscheiden.
Wir hatten das Gefühl für alles genug Zeit zu haben, Zeit um zu malen,
einfach ohne Ziel die Gegend mit dem Fahrrad zu erkunden, spontan einen
Kaffee bzw. Saft trinken zu gehen. Abends sind wir oft alle zusammen ins
Bett gegangen, da es keine Aufgaben mehr gab, die am Abend erledigt
werden mussten und auch konnten. Durch den keinen Raum und die
Dunkelheit und Kälte draußen war arbeiten am Abend quasi keine Option.
Wir hatten genug Zeit alles am Tag zu erledigen.
Gegen 21 Uhr haben wir geschlafen, außer es gab draußen ein Lagerfeuer.
Dann hat Sammy auch manchmal so lang draußen gespielt bis er auf meinem
Schoß am Feuer eingeschlafen ist.

Der sehr begrenzte Platz zwingt zur Ordnung und dazu immer zu überlegen
was wir wirklich brauchen und was nicht! Das ist ein riesen Vorteil an
wenig Wohnraum, ich liebe Ordnung und diese herzustellen hat nicht lang
gedauert. Bevor wir kochen konnten, muss die Spüle frei gemacht werden,
also alles gespült werden und die Sachen auf der Arbeitsplatte müssen
zurück auf ihren Platz.
In einer 100 qm Wohnung können wir tagelang alles liegen lassen. Es wäre
lange Platz genug um durch die Wohnung zu laufen, Kleider könnte man
überall stapeln, Geschirr immer neu aus dem Schrank nehmen, das geht
beim reisen nicht.

Inspirierende Menschen trafen wir fast täglich, Kulturen, Menschen und
landestypische Probleme wurden uns klar. Sei es Arbeitslosigkeit,
schlechte Infrastruktur, Währungsschwierigkeiten, Straßenverhältnisse.
Die Umsetzung von Gesetzen (Baugenehmigungen, Tempolimits, Steuern), die
Selbstverständlichkeit von Tierherden auf den Straßen, die Wahrnehmung
Deutschlands aus anderen Perspektiven und die Wirtschaftliche Situation
wurde uns vor Augen geführt.
Verschiedene spannende Lebenskonzepte und Reiseformen haben wir kennen
gelernt. Tramper, Fahrradreisende, junge, alte, Langzeit oder
kurzzeitreisende. Wohnmobile, Elternzeit-Reisende, Survivorcamper in
Expeditionsfahrzeugen die sich nicht vor an den Strand trauen mit ihrem
4x4 Supercar, vierköpfiger Familien in kleinen VW-Bussen,
Künstler*innen, Selbständige, Barfußgänger, Freilerner, usw. usw.

Die negativen Seiten am Reisen waren die Kälte im Winter und die kurzen
Tage, zur Sonnenwende wurde es schon ab 16 Uhr wieder deutlich kälter.
Die Toilette und das kümmern darum war nicht immer angenehm... Nicht nur
die Entsorgung, auch die Privatsphäre die man(n) gerne hat war manchmal
schwer zu handeln, denn morgens aus dem warmen LKW geschmissen zu werden
ist manchmal fies.
Wenn es stark oder länger am Stück regnet wird es an den Fenstern feucht
und es tropft an manchen Stellen.

Wir hatten eine großartige Zeit, die uns zusammen geschweißt hat. Wir
hatten anfangs Schwierigkeiten so eng und ohne Pause zusammen zu sein,
aber das hat sich eingespielt. Jetzt vermisse ich es schon.
Streitigkeiten und Probleme konnten wir nicht ewig vor uns her schieben,
sondern mussten schnell angegangen werden.

Am wertvollsten war die Erfahrung, dass wir wieder ein Stück näher
zusammen gerückt sind, die Menschen mit ihren Geschichten die wir kennen
gelernt haben, die Lebenskonzepte und die Möglichkeit unseren Reichtum
in Deutschland von außen zu sehen, von Albanien oder Bosnien aus, wo
Deutschland das Land vieler Träume ist.

Ketsch, 15.01.2020

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