Samstag, 8. Februar 2014

Emma, 17, Indien-Reisende

So viele schlimme Dinge liest man in den Medien über Indien. Auch andere weibliche Backpacker haben uns immer wieder von sehr unangenehmen Situationen in Indien berichtet. Penetrante Blicke, unangenehme Berührungen, sogar richtiges Begrabschen haben sich weibliche Indien-Reisende gefallen lassen müssen. 
Jetzt sind wir hier und können wir es selbst heraus finden. In den ersten drei Tagen haben wir gleich viel gelernt. Vor der Anreise schon war ich ausgestattet mit langen Stoffhosen und langen luftigen Oberteilen, die hoch geschnitten sind und auf keinen Fall Schultern oder Dekoltee zeigen. Außerdem haben wir uns hochwertigste Plastik-Eheringe im Wert von insgesamt 90 Cent in Kambodscha zugelegt, denn wir hatten gehört, dass verheiratete Frauen von Männern viel mehr respektiert werden. Meine Haare hatte ich von wasserstoffblond auf weniger auffälliges Braun gefärbt. Das alles war auch gut so!



Am ersten Tag bin ich mit Frank wie geplant in meinem Undercover-Outfit auf die Straße gegangen - ungeschminkt, ohne Schmuck, mit einer sehr hässlichen Baseball-Kappe und großer Sonnenbrille. Das war super. Uns beide trafen nur die üblichen Blicke, die wir in Asien als Europäer sowieso gewohnt sind.
Am Abend haben wir Emma kennengelernt, eine 17-jährige blonde Deutsche, die ihren letzten Abend in Indien mit uns in einem Café in Old-Delhi verbrachte. Zu unseren Bedenken und Fragen zur Sicherheit konnte sie nicht viel sagen und es wirkte, als hätte sie sich darum auch kaum Sorgen gemacht. Ohne sich Gedanken zu machen, wie lange sie abends auf der Straße bleibt, oder welche Gassen sie meiden sollte, reiste sie völlig unbefangen und vielleicht auch naiv durch Indien.
Dass sie allerdings nur knapp und mit viel Glück einer sehr gefährlichen Situation entgangen ist, hatte sie erstmal nur nebenbei erwähnt.
Trotz allem war sie sehr passend angezogen und sah mit ihren Punkten auf der Stirn, ihrem riesigen bunten Schal und den zersausten Locken fast aus, wie eine Einheimische.
Einerseits hat sie mir meine Panik genommen, aber ihre brenzlige Situation bestätigte andererseits unseren großen Respekt und unsere Vorsicht.
Etwas ermutigt ging ich am nächsten Tag zwar mit langen weiten Klamotten, aber ohne die Kappe und ohne meinen Schal aus dem Hotel. Es war heiß und auch viele einheimische Frauen trugen keine Kopfbedeckung. Nach zwei Stunden Sightseeing war ich von den gaffenden indischen Männern so genervt und gestresst, dass wir mir ein großes Tuch kauften, mit dem ich meinen Kopf und meinen Oberkörper verhüllen kann. Offensichtlich war es schon zuviel, dass man meinen kompletten Hals und teilweise meine Schlüsselbeine sehen konnte. Ein gewisses Schamgefühl beim Bemerken der gierigen Blicke scheint vielen indischen Männern zu fehlen. Mit meinem neuen Tuch waren die Blicke sofort passé. So einfach kann es gehen.
Einige Inder - auch Frauen - kamen zu uns und baten freundlich um ein gemeinsames Foto. Andere fotografierten uns auch einfach ungefragt oder versuchten es heimlich. Auch Frank ist als großer weißer Glatzkopf immer wieder eine Attraktion.
Auf den Straßen wird vor allem er dauernd angesprochen; wo wir herkommen, wo wir hin gehen, ob wir Hilfe brauchen oder ob wir etwas kaufen wollen (Anfang eines Verkaufsgesprächs). Ich bin sehr froh, dass ich Frank dabei habe, der offensichtlich als mein Vormund gesehen wird und deshalb Fragen fast immer an ihn gerichtet werden.
Mit meinem Mann an der Seite und dem Tuch auf dem Kopf kann ich mich zumindest hier in Delhi ganz ungestört und frei bewegen und fühle mich bis jetzt sicher.
Gefährlicher als die Männer sind die Rikschas und Taxis, die einem in dem ganzen ungeregelten Chaos über die Füße fahren würden, wenn man nicht immer sehr aufmerksam ist.